Grußwort der Veranstalter*innen zum 13. Demokratie-Tag am 18.10.2018 in Ingelheim.
„Ja, es gibt Spannungen in der Gesellschaft, es gibt Konflikte – […] Das haben wir erst in der vergangenen Woche gesehen: Wir erlebten Hass, sogar Gewalt auf offener Straße. […] Eine offene Gesellschaft, wie sie die Mehrheit in unserem Land will, leugnet nicht die Schattenseiten und muss die Debatte über diese Schattenseiten auch wollen. […] Aber – und darauf kommt es mir an: sie darf sich nicht einschüchtern lassen! Und deshalb ist es gut, dass Menschen nicht nur gegen etwas auf die Straße gehen; es ist gut, dass sich auch diejenigen, die für Demokratie und für Zusammenhalt stehen, zeigen. […] Bürgersein in der Demokratie ist viel mehr als ein Katalog von Rechten und Ansprüchen. Es bedeutet zuallererst Menschsein. […] Nicht diejenigen müssen sich rechtfertigen, die Mitmenschlichkeit beweisen, sondern die, die sie verweigern! […] Denen, die jetzt wieder lautstark unterwegs sind mit der Parole: „Das System muss weg!“, die erinnere ich an die Folgen, die die Verachtung der ersten Demokratie auf deutschem Boden hatte. Und ich rufe ihnen zu: Verleumdet nicht die Demokratie als „System“! […]
Ein Land mit unserer Geschichte darf das niemals vergessen: Demokratie lebt nicht allein aus sich heraus, aus der Verfassung und aus geschriebenem Recht. Demokratie braucht Haltung und Engagement. Demokratie verlangt Respekt und die Bereitschaft zum Kompromiss.“
Mit diesen Worten hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Eröffnung des Bürgerfestes im Schloss Bellevue am 7. September an das Ende der Weimarer Republik erinnert und zum Engagement gegen „grundlose Wut“ und „Demokratieverachtung“ aufgerufen. Viele Kommentator*innen beschwören in diesen Tagen einer offenkundigen Krise unserer parlamentarischen Demokratie den „Schatten von Weimar“.
Natürlich sind die Verhältnisse vor knapp 70 Jahren nicht mit den heutigen vergleichbar, aber das gesellschaftliche Klima erscheint zunehmend polarisiert, ja vergiftet, geprägt von Hass und Verrohung in Sprache und Verhalten. Und das erleben wir ja nicht nur in Berlin und Chemnitz, sondern auch hier in unserem Bundesland z. B. in Landau und auf dem Hambacher Schloss. Wichtig ist dabei die Lehre aus dem Scheitern der Weimarer Republik zu ziehen, die ja nicht allein an den wirtschaftlichen und sozialen Problemen, sondern vor allem auch am mangelnden Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger zugrunde gegangen ist.
Die Grundsatzfrage, die wir uns heute stellen müssen, ist: Wie wollen wir leben? Wir und die „Anderen“? Wollen wir weiterhin zusammenleben in einer offenen, pluralistischen Gesellschaft mit all ihren individuellen Freiheiten statt uns von Ausgrenzung, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und von einem kruden völkischen Nationalismus leiten zu lassen? Dann müssen wir Demokratie auch als eine Gesellschafts- und Lebensform begreifen, in der EINMISCHEN UND MITGESTALTEN aber auch MITVERANTWORTEN zu den Bürgertugenden zählen.
Unsere Geschichte verpflichtet uns in besonderer Weise dazu, die Menschenrechte zu verteidigen. Der Schriftsteller Daniel Kehlmann hat kürzlich in einer Rede an uns alle appelliert: „Niemals vergessen! Nicht vergessen, was passiert ist […] heißt auch: Menschen helfen, die Hilfe brauchen, auch wenn sie eine andere Religion haben, eine andere Kultur, andere Sprache, andere Hautfarbe, und zwar im Andenken an die Vertriebenen und die Toten unseres eigenen Landes vor nicht langer Zeit.“
In dieser Situation haben die Veranstalter des Demokratie-Tags entschieden, sich dieser besorgniserregenden Entwicklung unter dem Motto #Demokratie beginnt mit dir! aktiv und kreativ auf der Basis des immer breiter werdenden Netzwerkes aus staatlichen und zivilgesellschaftlichen Institutionen in unserem Bündnis „Demokratie gewinnt!“ entgegen zu stellen.
Der nunmehr 13. Demokratie-Tag bietet am neuen Veranstaltungsort des kING und WBZ Ingelheim bei einem noch einmal gestiegenen Interesse der jugendlichen und erwachsenen Teilnehmer*innen ein großes und vielfältiges Angebot über diese Fragen und unsere Vorstellungen zu diskutieren und Demokratie auch spielerisch zu erfahren: auf den politischen Podien, im „heißen Eck“ mit Jugendlichen und Landtagsabgeordneten, in den Workshops und Foren, in den Mitmachaktionen sowie an den zahlreichen Informationsständen.
Lasst uns „Haltung zeigen, statt Zurückhaltung üben“, „Brücken bauen, statt Gräben ziehen“, so einige Slogans bei den Aktivitäten auf der Straße und im Internet unter dem berechtigten Motto „Wir sind mehr!“. Und lasst uns durch unser gemeinsames Engagement hier auf dem Demokratie-Tag Rheinland-Pfalz dazu beitragen, unsere Demokratie und offene Bürgergesellschaft zu sichern und weiter zu entwickeln.
„Demokratie beginnt mit Dir!“
Ihr/Euer
Hans Berkessel
Vorsitzender der DeGeDe-Rheinland-Pfalz für das Veranstalter-Team des Demokratie-Tags Rheinland-Pfalz
Hans Berkessel ist Koordinator des 13. Demokratie-Tags Rheinland-Pfalz, Vorsitzende des Landesverbands der Deutschen Gesellschaft für Demokratiepädagogik in Rheinland-Pfalz und vielfältig engagiert für politische und historische Bildung.